Grafik zeigt ein symbolisches Elektrokasten
Kultursoziologie Uni Leipzig

Infrastrukturen des Digitalen

Die digitale Stadt findet nicht in irgendeiner weltfernen „Cloud“ statt. Sie braucht vor Ort allerhand handfeste Infrastrukturen, um zu funktionieren. Das sind Kabeltrassen, Sendemasten, Verteilerkästen, Rechenzentren, Serverräume, WLAN-Router usw. Oftmals sind diese Dinge für uns unsichtbar, manchmal übersehen wir sie aber schlichtweg. Wir wollen für die bessere Sichtbarkeit der digitalen Infrastruktur sorgen, denn diese ist ein wichtiger Baustein in der Diskussion um sichere Teilhabe am Digitalen.

Das sind LAN-Kabel am Computer. Und hier verschwinden sie im Boden.

Das sind die Gegenstände, über die wir mit dem Internet in Kontakt kommen. Wenn etwas nicht funktioniert, schauen wir unseren Rechner oder unseren Router vorwurfsvoll an. Wen sonst? Viel zu unklar ist uns meistens, wo es haken könnte.

Das Gleiche bei unseren Daten. Entweder sie liegen direkt auf unserem Rechner. Oder wir legen sie „in der Cloud“ ab.

Dort sind sie ja sicher, sagen alle. Aber ist das so? Wo ist das eigentlich, diese Cloud? Und wie sieht die aus? Gehen wir diesen Fragen und vor allem – diesen Dingen! – mal nach.

Erste Beobachtung: Auch wenn wir in den meisten Fällen über Funk oder WLAN online sind, ist das eine vergleichsweise kurze Distanz. Und sehr schnell begegnen uns wieder ganz altmodisch scheinende Dinge. Denn der Router in unserer Wohnung hängt an einer ganz handfesten Box, die wiederum verkabelt ist.

Irgendwo in jedem Gebäude befindet sich dann ein weiterer Kasten, in dem alle Wohnungsanschlüsse zusammenkommen. Von dort führt dann ein anderes Kabel weiter zum sogenannten Hausanschluss.

All das, was wir „das Internet“ nennen, ist also keineswegs so luftig und leicht wie eine „Wolke“. Stattdessen ganz greifbar, ganz material. Diese Dinge brauchen Platz, sie verbrauchen Ressourcen, und sie können auch kaputt gehen.

Aber erstmal weiter. Die einzelnen Hausanschlüsse werden von Geräten aus versorgt, die man überall im Stadtbild findet, die man meist aber übersieht: Multifunktionsgehäuse.

Klingt, nun ja, eher allgemein. Ist aber ziemlich speziell und wichtig. Ihr unauffälliges Grau, das Fehlen jeglicher Beschriftung, dafür das verlässliche Besprühen und Beschreiben sorgen schnell dafür, dass die MFGs regelrecht verschwinden. In den MFGs kommen die Glasfaserleitungen an, über die Daten mit hoher Geschwindigkeit verschickt werden; erst ab den MFGs geht es mit Kupfer (und damit langsamer) weiter bis zu den einzelnen Hausanschlüssen. Je näher man also am MFG wohnt, umso besser.

Die MFGs sind im Grunde kleine Rechenzentren: mit eigenem Stromanschluss, mit eigener Lüftung und Kühlung. Sie müssen deshalb sicher sein vor Nässe, vor zu hohen Temperaturen, vor Stromausfall, vor Verunreinigungen und natürlich auch vor physischen Eingriffen. Unsichtbarkeit ist dabei vermutlich eine gute Wahl.

Davon gibt es unglaublich viele in der Stadt; in Leipzig sind es hunderte.

Die ganzen MFGs sind auch wieder miteinander verbunden bzw. werden von zentraleren Stellen aus mit Daten versorgt – von sogenannten Knotenpunkten oder auch „points of presence“. In diesen Einrichtungen werden, kurz gesagt, die lokalen Leitungen und Netze mit überregionalen Netzen verbunden.

In Leipzig existiert ungefähr ein Dutzend solcher Knotenpunkte. Diese sind in gewisser Weise Schattenwesen: Man kann sie sehen, aber im Grunde weiß niemand, dass es sie gibt. Aber das gilt ja sowieso für fast alles, was uns online bringt: Außer unserem Rechner oder Smartphone sehen wir wenig von den ganzen notwendigen Dingen. Digitale Infrastrukturen sind gern unsichtbar.

An manchen Punkten hat das inzwischen enorme Ausmaße angenommen. Frankfurt/Main ist der größte Knotenpunkt weltweit, und das macht sich bemerkbar. Denn die größeren Datenmengen brauchen schlichtweg mehr Platz. Neue Rechenzentren sind in auch in Frankfurt längst in Bau und weiterer Planung. Doch das alles kommt nicht ohne Kosten, weil spätestens an solchen Knotenpunkten das Internet eben doch sichtbar wird. „Die Stadt begrüße dies, wolle die Entwicklung aber steuern, Wildwuchs begrenzen und verhindern, dass weniger finanzkräftige Gewerbebetriebe verdrängt werden. So sollen die Zentren sich künftig nur noch geballt in Clustern ansiedeln und in Energieeffizienz investieren. Nicht zuletzt sollen die Zentren weniger breit als hoch gebaut und mit Fassaden versehen werden, um das Errichten unansehnlicher Klötze zu verhindern.“ Unser Foto zeigt ein Beispiel, das schon als innovativ gelten darf: ein Rechenzentrum von maincubes. Immerhin die Fassade versucht vom sonst üblichen Grau wegzukommen.

maincubes Offenbach, Foto: Barbara Thériault

Und von hier geht es dann weiter mit den Daten, etwa nach Nordamerika oder Asien. Die Meere werden dabei mit mächtigen Kabelbündeln überbrückt.

Karte von: https://www.spiegel.de/netzwelt/web/untersee-kabel-die-fragilen-lebensadern-des-internets-a-1015809.html

Okay. Wo ist aber nun diese Cloud? Wo liegen eigentlich alle Daten? Das Netz dient ja nur deren Verbreitung.

Bei solchen Fragen löst sich die Cloud auf und verwandelt sich in ganz gewöhnliche Architektur. Denn am Ende liegen alle Daten auf ganz handfesten Servern, die Strom brauchen, nicht zu heiß laufen dürfen und mit anderen Servern und am Ende mit unseren Routern verbunden sein müssen.

https://www.nbcnews.com/tech/internet/drought-stricken-communities-push-back-against-data-centers-n1271344

Viele dieser Server stehen in der amerikanischen Wüste, etwa in Arizona.

Google hat seine Server an verschiedenen Orten der Welt stehen und lädt auf seiner Website regelrecht dazu sein, Sie zu „entdecken“. Tatsächlich entziehen sich aber auch diese Gebäude den Blicken des Alltags; Sie sind abgelegen platziert, und die Fotos vermitteln einen Eindruck von zweiter Natur.

https://www.google.com/intl/de/about/datacenters/locations/

Aber auch in Städten finden wir solche Gebäude. In Leipzig betreibt zum Beispiel PYUR ein solchen Rechenzentrum. Es steht am Stadtrand, in einem Gewerbegebiet. Auch dieses Gebäude ist wieder maximal unscheinbar, fast unsichtbar.

https://datacenter-group.com/de/unternehmen/referenzen/enviatel/

Ein anderes von Enviatel steht in Taucha, neben einem Möbelhaus. Nicht wirklich versteckt, aber auch nicht stolz präsentiert.

Viel wichtiger sind für die Betreiber solcher Datenzentren ausreichend Strom (und diese Dinger brauchen viel Strom!), Schutz vor Hochwasser, Erdbeben und anderen Katastrophen. Sicherheit ist also wichtig, aber nicht in erster Linie Sicherheit vor physischen Angriffen. Wer an die Daten will, kommt sowieso am schnellsten durch ein Kabel in das Gebäude.