Grafik zeigt überlagernde Rechtecke in isometrischer Darstellung
Architekturmuseum TU München
Kommunikationswissenschaft Uni Augsburg
Informatik Uni Augsburg

Augmenting the City

Hologramme überlagen die Realität und verändern unseren Blick auf die Stadt. In dieser Studie wurde ein zerstörtes Gebäude am Augsburger Rathausplatz holografisch rekonstruiert und den Teilnehmern per Augmented Reality Brille präsentiert. Die Vorher-Nachher Befragung zeigt, wie Hologramme unsere Wahrnehmung des Stadtraums beeinflussen und wie sich die Bedeutung öffentlicher Plätze durch Augmented Reality verändert.

Der Rathausplatz in Augsburg war lange Zeit durch das Gebäude der Börse geprägt. Es zählte zu den imposantesten Baumwerken des Klassizismus in Augsburg und nahm fast zwei Drittel der heutigen Platzfläche ein.

Im Jahre 1944 wurde das Gebäude allerdings bei Bombenangriffen der Alliierten zerstört und nicht wiederaufgebaut – was dem Rathausplatz seine heutige Form gab. Interessant ist daher die Frage, inwiefern sich die Wahrnehmung der Stadtbewohner*innen und ihr persönlicher Bezug zu diesem zentralen Platz verändern würde, falls ein historisch bedeutsames Gebäude dort als Hologramm wieder aufgestellt wird.

Hologramm der Augsburger Börse
Postkarte des Rathausplatzes mit Börse
Rathausplatz mit Börse um das Jahr 1900
Rathausplatz in seiner heutigen Form

Um das Gebäude der Börse per Augmented Reality ins Leben zu rufen, wurden zunächst Dokumente wie Fotoaufnahmen, Postkarten, und Gebäudepläne ausgewertet. Danach wurde ein Hologramm der Börse erstellt und am Rathausplatz platziert. Die Studienteilnehmer hatten nun die Möglichkeit, die holografische Rekonstruktion der Börse per Augmented Reality Brille (Microsoft HoloLens 2) vor Ort zu erleben. Nach dem Abspielen einer Audio-Datei, in der die historischen Hintergründe der Börse erläutert werden, konnten sich die Teilnehmer*innen frei über den Rathausplatz bewegen, das Hologramm aus verschieden Perspektiven betrachten und es betreten.

 

Nun interessierte uns, wie die Augsburger*innen das Börsen-Hologramm und den dadurch veränderten Rathausplatz wahrnehmen, wie sie sich über ihn bewegen und wie sich die Bedeutung verändern würde. Mit anderen Worten: Inwiefern beeinflusst die holografische Rekonstruktion eines historischen Gebäudes die (sinnliche) Raumwahrnehmung, die (körperliche) Raumbewegung und die (persönliche) Raumbedeutung von Stadtbewohner*innen.

Um dies zu messen, füllten die Teilnehmer zunächst einen Online-Fragebogen aus. Dann wurde ihnen am Rathausplatz eine Augmented Reality-Brille aufgesetzt, mit der sie das Börsen-Hologramm betrachten und sich frei über den Platz bewegen konnten. Ihre Aussagen, Blickrichtungen und Bewegungsmuster wurden währenddessen mit Hilfe der AR-Brille aufgezeichnet. Diese Audio- und Video-Aufzeichnungen wurden im Anschluss gemeinsam mit den Probanden ausgewertet und kommentiert. Zum Abschluss füllten die Probanden einen zweiten Online-Fragebogen aus, um die Veränderung der Raumwahrnehmung / der Raumbedeutung zu messen.

Probandin mit AR-Brille vor dem Hologramm

Durch das Hologramm der Börse wird die Wahrnehmung des Rathausplatzes maßgeblich beeinflusst. So wurde der holografisch augmentierte Rathausplatz als weniger zugänglich, weniger atmosphärisch und weniger lesbar wahrgenommen wird als der nicht-augmentierte Rathausplatz. Die größten Unterschiede ließen sich in der wahrgenommenen Zugänglichkeit feststellen. Diesen negativen Eindruck beschreibt auch eine Teilnehmerin: „Aber es wäre keine so Offenheit mehr da, wenn das Gebäude hier stehen würde. Es wäre nicht mehr so frei und zugänglich, sondern halt verbaut. Das verbinde ich mit ‚kalt‘ und ‚weniger spontan‘.“

Vereinzelt wird der augmentierte Rathausplatzes aber auch positiv bewertet: „Also ich finde tatsächlich, das macht den Platz kleiner, gemütlicher, das was ich eigentlich auch von dem Altstadtbereich so erwarten würde. Also diese große Freifläche, die wir hier gerade haben, die passt ja eigentlich gar nicht so in das Stadtbild, auch der Seitenstraßen. Und fühlt sich für mich auch immer eher leer an und windig und zugig. Und dieser kleinere Rahmen, den finde ich eigentlich ganz schön“.

Daneben würde sich auch die Bedeutung des Rathausplatzes durch das Börsen-Hologramm verändern, sowohl in Bezug auf sich selbst, auf andere und auf die Umgebung. So schildert eine Stadtbewohnerin, wie die Börse nicht nur das Straßenleben am Rathausplatz sondern auch in der Innenstadt verändern würde:

„Es wäre nicht dasselbe. Vor allem im Sommer. Ich glaube Menschen werden dann auch weniger in der Stadt sein, bzw. gäbe es weniger wirkliche Ansammlungen. Es gibt keinen zentralen Platz mehr, es wird alles verfliegen, Leute wäre in kleineren Cafés oder an irgendwelchen Seen oder Flüssen, aber es gäbe nicht mehr diesen großen Platz, wo alle gerne sitzen. (…) Das Leben in der Stadt und das Freunde Treffen in der Stadt wären weniger spontan.“ Diese veränderte Raumbedeutung ist im Detail im nachfolgenden Diagramm dargestellt.

Hinsichtlich der Raumbewegung lässt sich festhalten, dass ein Großteil der Teilnehmer an dem Hologramm entlang lief und es umrundete, es aber nicht betraten. Dieser Umstand ist mit dem Konzept der Immersion zu erklären, demnach den Umstand der Illusion aufrechterhalten wollten und deshalb nicht wagten, die Immersion zu brechen. Diese Denkweise wird auch von einem Teilnehmer beschrieben: „Das fühlt sich bescheuert an. Ist ein bisschen so wie in Harry Potter, so Bahngleis 9 ¾, wo du so darauf zu läufst. (…) Das fühlt sich irgendwie strange an, tatsächlich. Weil du läufst ja eigentlich gegen eine Wand, aber du läufst durch. Das fühlt sich falsch an, es fühlt sich tatsächlich komisch an.“

 

Anhand der Lauflinien lässt sich außerdem erkennen, dass die meisten Teilnehmer das Hologramm umrundeten, um es aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten, es aber nicht betraten. Es wurden von den meisten Teilnehmern in diesem Zeitraum als reales Gebäude betrachtet.

Daran erkennt man das Potenzial von Augmented Reality und Hologrammen, das zukünftige Stadtbild der Smart City nachhaltig zu prägen.

Kontakt zu verantwortlichen Projektpartnern:

Moritz Schweiger (Kommunikationswissenschaft): moritz.schweiger@phil.uni-augsburg.de

Ruben Schlagowski (Informatik): ruben.schlagowski@informatik.uni-augsburg.de

Gregor Nagler (Architekturhistoriker & Kunstpädagoge): gregornagler@googlemail.com